Grundrechtliche Freiheit zur Gottesl?sterung

Prof. Dr. Josef Isensee referiert beim Theologischen Forum 2013/2014

Am dritten Abend des ?Theologischen Forums? im Wintersemester 2013/2014 unter dem Titel ?L?cherlicher Glaube?? beleuchtete Josef Isensee, emeritierter Professor des Lehrstuhls für ?ffentliches Recht der Universit?t Bonn, das Ph?nomen der Blasphemie vor dem Hintergrund des s?kularen Rechtsstaats, der verschiedenste grundrechtliche Schutzgüter kennt, und verdeutlichte das Problem der grundrechtlichen Freiheit zur Gottesl?sterung.

Zun?chst veranschaulichte Isensee mit ?atmosph?rischen Kostproben“ die enorme Brisanz verschiedenster Fallbeispiele und die Notwendigkeit sowie die Problematik des ?ffentlichen Blasphemie-Diskurses. Dabei sensibilisierte der Jurist die Zuh?rerschaft besonders für den seiner Ansicht nach unterschiedlichen Umgang der ?ffentlichkeit mit verschiedenen Religionen.

Systematisch skizzierte der Verfassungsjurist das blasphemierelevante Dreieck von Staat-St?rer-Opfer, wobei der St?rer sich auf ein Grundrecht in seiner Abwehrfunktion gegen ein staatliches Verbot berufe und das Opfer in einer schutzrechtlichen Beziehung zum Staat stehe. Allerdings sei eine differenzierte Benennung der jeweiligen Parteien nicht immer offenkundig und müsse situationsbedingt analysiert werden. So k?nne in der grundlegende Konstellation St?rer sein, der mit einer Meinungs?u?erung religi?se Gefühle verletzte und Opfer, derjenige, welcher eben jene Schm?hung ertragen müsse. So k?nnten die jeweiligen Seiten zum einen die Meinungs- und/oder Medienfreiheit, sowie die andere Seite den Schutz der Religion und somit die Religionsfreiheit ins Feld führen. Eine weitere prek?re Dimension gewinne dieser ?Rechts-Streit“, wenn in einer globalisierten Welt inkompatible Rechtkulturen aufeinandersto?en.

Isensee machte deutlich, dass grundrechtliche Freiheit nur in einem Gesamtzustand der Sicherheit gedeihen und ein gewaltt?tiges Sich-zur-Wehr-setzt keineswegs zur L?sung des Problems beitragen kann. Somit müsse die Wahrung des Gewaltmonopols oberstes Ziel des Rechtsstaates sein. Davon ausgehend ging der Jurist auf die zentralen rechtlichen Schutzgüter ein, ?unter deren Deckmantel die Blasphemie Unterschlupf“ finden k?nne. Als grundlegendes Schutzgut sei die Freiheit der Meinung zu sehen, die sich vielfach in der Ausübung verbindet mit der Freiheit des Mediums und überhaupt erst Publizit?t vermittelte. Auch der Kunst komme eine grundrechtliche Freiheit zu. Diese erfasse auch die Wirtschaftwerbung und somit auch den grundrechtlicher Schutzbereich der Berufsfreiheit. Selbst in der Religionsfreiheit findet die Gottesl?sterung einen grundrechtlichen Ort, wenn sich diese über das triviale Niveau von Kino, Kabbaret und Regietheater zur H?he Nitzsches erhebt und sich darin existentieller Ernst und Drang nach letzter Wahrheit rege.

Um eben jene Grundrechte wirksam einschr?nken zu k?nnen, bedarf es zun?chst einmal eines Gesetzes. Im Fall der Blasphmie ist dies die Strafnorm mit der amtlichen Bezeichnung ?Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“ (§166 StGB). Dabei muss allerdings die Beschimpfung geeignet sein, den ?ffentlichen Frieden zu st?ren. So sei zwar die Bezeichnung der katholischen Kirche als ?Kinderfickersekte“ eine Religionsbeschimpfung, erfülle aber nicht den Tatbestand nach §166 StGB und sei nicht geeignet den ?ffentlichen Frieden zu st?ren!

Was aber kann nun rechtlich als Blasphemie kenntlich gemacht werden? Isensee schied die Intention aus, Gott vor Beleidigung zu schützen, da Gott kein Grundrechtstr?ger und die Ehre Gottes kein Rechtsgut für den s?kularen Staat ist. Auch die Religionsfreiheit als solche ist durch eine Schm?hung der Religion nicht beschnitten, da niemand in seiner freiheitlichen Religionsausübung behindert wird. Vor diesem Hintergrund l?sst sich der schwer fassbare Begriff des ?ffentlichen Friedens, eines gesellschaftliches Klimas der Angstfreiheit, in dem ein jeder sich unbefangen und frei bewegen k?nne, als Dreh- und Angelpunkt des heutigen Diskurses ausmachen. Zu ihm geselle sich die pers?nliche Ehre. Dieses verfassungsrechtliche Rechtsgut schlie?t auch den religi?sen Aspekt mit ein und wird eigens vom Grundgesetz als eine Schranke der Meinungsfreiheit benannt.

Aus juristischer Perspektive stellte Isensee klar, dass der freiheitliche Staat rechtlich relativ wenig tun k?nne um blasphemische Akte zu verhindern. Die ?ffentliche Ordnung allerdings bedarf, so der Rechtswissenschaftler, für ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen auch au?errechtlicher Kriterien wie Moral, guten Geschmack, Takt, Mitmenschlichkeit oder Rücksichtnahme. Natürlich unterl?gen auch diese Kriterien kulturell-regionaler Schwankung. Doch grundlegend, so schloss Isensee, müsse in einem freiheitlichen Rechtsstaat ein jeder lernen mit der Freiheit des Anderen zu leben.

Hinweis

Diesen Text verfasste Florian Brustkern. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.