Erdwerke und Siedlungen der sp?ten Linearbandkeramik auf der N?rdlichen Frankenalb
Das Forschungsprojekt ?Untersuchungen zu Erdwerken und Siedlungspl?tzen der sp?ten Bandkeramik in Oberfranken“ wurde von verschiedenen Institutionen gef?rdert, ma?geblich durch die Oberfrankenstiftung, aber auch durch die Gesellschaft für Arch?ologie in Bayern, den Landkreis Bamberg, die Sparkasse Coburg-Lichtenfels sowie Herrn Niemetz aus K?nigsfeld.
Die Grabungen an drei ausgew?hlten Pl?tzen (Hohler Stein bei Schwabthal, K?nigsfeld und Hohenellern) fanden in den Jahren 2014 - 2015 und 2018 statt (das Projekt wurde wegen eines von der DFG gef?rderten Projektes nach Absprache mit den F?rderern unterbrochen und 2018 zu Ende geführt).
Das Ziel war der Nachweis einer dauerhaften Besiedlung der Albhochfl?chen w?hrend des frühen Neolithikums, einer Epoche zwischen ca. 5400 und 4900 v. Chr. Geburt, welche in Oberfranken eine v?llig neue, revolution?re Lebensweise mit sich brachte. Dieser auch als ?Neolithische Revolution“ bezeichnete Wandel umfasste verschiedenste Lebensbereiche: das Siedlungswesen, die Sesshaftigkeit allgemein, die Subsistenzwirtschaft, die materielle und immaterielle Kultur und auch die genetische Herkunft der damaligen oberfr?nkischen Siedler.
W?hrend in Niederungszonen in der N?he von Flie?gew?ssern (z.B. Itz) schon einige Siedlungen in früherer Zeit ausschnittsweise untersucht wurden, fehlte entsprechend auf der wasserarmen und von Transport-/Kommunikationswegen kaum erschlossenen N?rdlichen Frankenalb der klare Nachweis, dass in dieser Zeit bereits kontinuierliche Siedlungen existierten. Durch gewisse Vorarbeiten (u.a. Entdeckung eines Grabenwerks durch eine Magnetikprospektion bei K?nigsfeld) sowie Untersuchungen im Bereich des Hohlen Steins in einem Projekt 2008 - 2010 h?uften sich die Hinweise darauf allerdings stark. Diese Region nimmt bezüglich der v?llig untypischen Lage der Siedlungen auf den Hochfl?chen europaweit eine Sonderstellung ein, weshalb eine eingehendere Untersuchung ausgew?hlter Siedlungsareale ein ausgesprochen wichtiges und lohnenswertes Ergebnis versprach.
Die Grabungen am Hohlen Stein bei Schwabthal (2014 und 2015) konnten einerseits zwei sich überlagernde, in gro?en Teilen vollst?ndige Hausgrundrisse nachweisen. Die typischen Langh?user hatten Dimensionen von ca. 13 x 6 m, wobei der Südostteil in unserem Fall wohl erhaltungsbedingt fehlte. Nahezu das gesamte Siedlungsareal wurde mittels Magnetikprospektion erfasst und kann auf eine Gr??e von ca. 450 x 220 m sowie einer Bebauung mit ursprünglich mehr als 100 Langh?usern gesch?tzt werden. Durch Sondagegrabungen in den hausbegleitenden L?ngsgruben ist nachgewiesen, dass sich die Hausareale w?hrend der ca. zwei Jahrhunderte andauernden Besiedlung immer wieder verlagerten. In der frühen Phase nach Gründung der Siedlung um 5200 v. Chr. sind mindestens zwei Geh?ftstellen im Südwesten und Südosten des Areals belegbar. Mit der Zeit wurde auch das gesamte südliche Areal nach und nach bebaut, w?hrend die jüngste Siedlungsphase, welche etwa bis 5000 v. Chr. andauerte, insbesondere Richtung Nordosten das Areal st?rker nutzte.
Die Grabungen bei K?nigsfeld im Jahr 2015 fokussierten sich stark auf das exzeptionelle Grabenwerk, welches das erste bandkeramische überhaupt in solch einer H?henlage darstellt. Diesen Erdwerken, welche meist gro?e Fl?chen von Siedlungen oder einen Teil dieser umschlossen, kamen ganz unterschiedliche Bedeutungen zu. So sind sie zum Schutz vor Feinden, als rituelle Umhegungen oder auch sekund?r als Bestattungspl?tze zu interpretieren. Das Grabenwerk in K?nigsfeld ist noch bis ca. 1 m Tiefe enthalten und besteht aus einem Sohlgraben. Die ursprüngliche Existenz eines Walles ist anzunehmen, lie? sich aber anhand der Grabungsprofile nicht sicher belegen. Die Grabenverfüllung war ?u?erst fundarm, wonach man von einer eher schnellen, natürlichen Verfüllung durch Sedimente mit Relikten der Siedlungst?tigkeit ausgehen muss. Viele Indizien sprechen dafür, dass die Anlage des Erdwerkes erst ganz am Ende der frühneolithischen Besiedlung am Ortsrand des heutigen K?nigsfeld geschah. Eine l?ngere Nutzung als Siedlungsareal h?tte sicher deutlich mehr intentionelle Nachnutzungshinweise zur Folge gehabt. Es ist nicht einmal gesichert, dass der Bau des Grabenwerks vollst?ndig abgeschlossen wurde, da es im Magnetogramm nur teilweise sichtbar ist. Die Besiedlung begann sehr wahrscheinlich viel weiter westlich des heutigen Flurbereinigungsweges, wo in einer weiteren nicht dieses Projekt betreffenden Grabung im Jahr 2017 ebenfalls bandkeramische Siedlungsbefunde erfasst wurden. Die Ausdehnung des Siedlungsareals betr?gt ca. 500 x 280 m, der Beginn der Besiedlung ist sp?testens im 52. Jahrhundert v. Chr. anzunehmen. Die jungsteinzeitlichen Siedler nutzten das Areal weit bis ins 50. Jh. v. Chr. hinein – in anderen Regionen Mitteleuropas wird die Bandkeramik hier schon von Nachfolgekulturen abgel?st. Auch in Oberfranken wirkten hier schon neue kulturelle Einflüsse, vermutlich aus B?hmen und der dort entstandenen Stichbandkeramik. Um ca. 4950 v. Chr. erfolgte dann der Bau des K?nigsfelder Erdwerks, wohl wegen eines erh?hten Schutzbedürfnisses. Es bedeutete jedoch gleichzeitig auch das Ende der Besiedlung an diesem Platz, wobei die genauen Gründe ohne weitere Forschungen im Dunklen bleiben müssen.
Die dritte untersuchte Fundstelle ?Hohenellern“ befand sich in unmittelbarer N?he der mittelal-terlichen Wüstung und nur 600 m nord?stlich der bekannten Jungfernh?hle bei Tiefenellern. Letztere erlangte in den 1950er Jahren Weltbekanntheit, da in ihr zahlreiche pr?historische Skelette und andere Sachfunde geborgen wurden. Die Diskussion um die Hintergründe der dort ausgeübten Rituale werden heute noch in der arch?ologischen Forschung kontrovers diskutiert. Es scheint zumindest sehr wahrscheinlich, dass ein erheblicher Teil der in der H?hle gefundenen Toten ursprünglich Siedler des jetzt besprochenen Siedlungsplatzes waren. Das Fundareal von Hohenellern wurde ebenfalls vollst?ndig mittels Magnetikprospektion untersucht. Im Magnetogramm zeigten sich Hinweise auf eine immense frühneolithische Bebauung in einem ca. 300 x 300 m gro?en Areal. Eine Maximalzahl von H?usern ist wegen h?ufiger ?berlagerung schwer absch?tzbar, dürfte aber deutlich über 80 gelegen haben. Auch hier erstreckt sich die Bebauung wieder über einen l?ngeren Zeitraum, wobei immer wieder von Verlagerungen der Hausstandorte auszugehen ist. Die Besiedlung begann hier ?hnlich wie am Hohlen Stein um ca. 5200 v. Chr. und dauerte mindestens bis ca. 5000 v. Chr. Die ?ltere Besiedlung lie? sich vor allem im westlichen Areal belegen, wohingegen im Nordosten eher eine sp?te Siedlungsphase nachweisbar war (Standort des heutigen Windkraftwerks). In letzterem Bereich konnten auch einige Keramikfragmente der sogenannten R?ssener Kultur geborgen werden, die auf eine sp?tere Nachnutzung des Areals im Mittelneolithikum (um 4500 v. Chr.) schlie?en lassen. Siedlungen dieser Zeit sind bislang aus Oberfranken überhaupt noch nicht bekannt, weshalb hier diesbezüglich ein Forschungspotenzial für sp?tere Projekte besteht. Auff?llig war im Magnetogramm noch ein zentraler, freier Bereich, um den sich die jungsteinzeitliche Bebauung orientiert. In diesem freien Bereich selbst befindet sich eine weitere, starke Anomalie, welche vermutlich als heute vollst?ndig verfüllte Doline zu interpretieren ist. Da die frühneolithische Bebauung diesen Bereich eindeutig ausspart, muss die Doline vor gut 5000 Jahren sichtbar gewesen sein und war wom?glich als eine Art Hüle tempor?r mit Regenwasser gefüllt. In einem kleinen Sondageschnitt zeigte sich tats?chlich an dieser Stelle ein von Staun?sse beeinflusster Boden – ein zus?tzlicher Beleg für diese Vermutung. Die Trinkwassergewinnung erfolgte wohl dennoch über die Quellen in den ca. 600 – 1000 m entfernten T?lern und wurde vermutlich durch Wassertr?ger t?glich in die Siedlungen bef?rdert. M?glicherweise gelang durch die Magnetikprospektion in Hohenellern der erneute Nachweis eines Grabenwerkes – allerdings muss der endgültige Beweis durch Forschungen in der Zukunft erbracht werden.
Naturwissenschaftliche Untersuchungen belegen den Anbau von vorwiegend Emmer, zu geringeren Anteilen auch von Einkorn, Gerste, Erbse und Linse. Mahlsteinfragmente etc. belegen die Getreideverarbeitung in den Siedlungen – die Felder lagen vermutlich im direkten Umfeld bzw. im Bereich der Geh?ftstandorte selbst. Scharfe, schneidende Steinger?te wurden aus lokalen Jurahornsteinen gefertigt, die sogenannten Dechsel zur Holzbearbeitung hingegen aus importiertem Aktinolith-Hornblendeschiefer aus Ostb?hmen (Region Jistebsko bei Liberec).
Die Forschungen erbrachten herausragende Ergebnisse zu den ersten oberfr?nkischen Bauern, deren unmittelbare Vorfahren ab ca. 5400 v. Chr. aus dem transdanubischen Raum einwanderten. Für die N?rdliche Frankenalb lassen sich über lange Zeitr?ume (200-250 Jahre) bestehende, kontinuierliche Siedlungsterrains belegen, die sich von anderen typischen Siedlungen der Bandkeramik in den Niederungszonen in nichts unterscheiden. Die Gründe für die Aufsiedlung der logistisch deutlich schlechter erschlossenen und für die Lebensumst?nde auch schwierigeren Albhochfl?chen (Wassermangel, Klima, B?den) bleiben nach wie vor ungekl?rt und bedürfen weiterer arch?ologischer Erforschung.
Die Hauptergebnisse wurden in einem zusammenfassenden Aufsatz 2018 vorgestellt. Die Fundpl?tze Hohler Stein bei Schwabthal und K?nigsfeld wurden in zwei BA-Arbeiten von Barbara Holzapfel und Sara Lüttich bereits ausgewertet, die Analyse des Fundplatzes Hohenellern soll in naher Zukunft ebenso folgen.
Bisherige Publikationen zum Projekt:
Seregély / Holzapfel / Lüttich 2019
Frühneolithische Kontinuit?t – Mittelgebirgsfundpl?tze der Bandkeramik auf der N?rdlichen Frankenalb. Das arch?ologische Jahr in Bayern 2018 (Darmstadt 2019) 15-18.
Holzapfel 2020
Die linearbandkeramische Siedlung am Hohlen Stein bei Schwabthal (Bad Staffelstein, Lkr. Lichtenfels, Oberfranken). Ein ?berblick zum aktuellen Forschungsstand. In: L. Husty / T. Link / J. Pechtl (Hrsg.), Neue Materialien des Bayerischen Neolithikums 3 – Tagung im Kloster Windberg vom 16. bis 18. November 2018. Würzburger Studien zur Vor- und Frühgeschichtlichen Arch?ologie 6 (Würzburg 2020) 63–78.