Der dritte Kongresstag stand im Zeichen der Auseinandersetzung mit Themen und Problemen der angewandten Ethik. Wiederum aus der Perspektive katholischer und evangelischer Referierender wurden Fragen der Umweltethik und der Bioethik diskutiert. Die Tagesmoderation lag in den H?nden von Prof. Dr. Herbert Schl?gel (Regensburg).
Den Vortr?gen und Diskussionen im Plenum gingen am Morgen parallele Workshops voraus, in denen katholische und evangelische Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ihre eingereichten Paper aus dem Call for Paper pr?sentieren und diskutieren konnten. Es referierten Prof. Dr. Dominik Bertrand-Pfaff (Saarbrücken), Dr. Benedikt Schmidt / Dipl. theol. Markus Weskott (Bonn), StR Dipl. theol. Dominik Ritter (Fulda), Dipl. theol. Torben Stamer (Bamberg) und Dr. Petra Steinmair-P?sel (Feldkirch).
In der Arbeitseinheit Umweltethik. Verantwortung im Horizont von Sch?pfung und Vers?hnung hielten Dr. Clemens Wustmans (Berlin) und Prof. Dr. Andreas Lienkamp (Osnabrück) die Referate.
Der evangelische Theologe Clemens Wustmans stellte in seinem VortragUmweltethik. Verantwortung im Horizont von Sch?pfung und Vers?hnung den Topos der Verantwortung als Kernbegriff evangelischer Umweltethik vor. Ausgehend von der anthropologischen Bestimmung des Menschen als M?ngelwesen, das natural ohne Handlungsdirektiven ausgestattet interagieren muss, übte er Kritik an der klassischen Lesart des Gegeneinanders von Anthropozentrismus und Physiozentrismus. Wustmans pr?feriert vielmehr das Konzept einer Anthroporelationalit?t, da der Mensch in und mit Natur bzw. Umwelt leben muss. Die Umwelt – auch als theologisch begriffene Sch?pfung – ist als Ort der Gesamtverantwortung des Menschen zu bestimmen. Allerdings wies Wustmans auf das Spannungsfeld von umfassender und begrenzter Verantwortung des Menschen hin. Gut reformatorisch von dem Gefallen-Sein des Menschen ausgehend, erschlie?t sich, dass die Verantwortung des Menschen in und gegenüber der Umwelt beschr?nkt ist. Dementsprechend braucht es eine vers?hnungstheologische Perspektive, die es dem Menschen erm?glicht, eine vers?hnte Verantwortung wahrzunehmen. Vor diesem Hintergrund zeigt eine ?kumenische Reflexion auf die Enzyklika ?Laudato Si? von Papst Franziskus, so Wustmans, diese als ein Dokument der ?ffnung gegenüber sozialethisch-?kologischen Fragestellungen, auch wenn sich erhebliche Anfrage (Naturrecht, Naturbegriff, tugendethische Sto?richtung) zeigen.
Aus katholischer Perspektive referierte Andreas Lienkamp über Die Sorge für das gemeinsame Haus. Impulse der Umwelt- und Sozialethik Laudato Si für christliche Sozialethik. Dabei bot er eine profunde Einführung in dieses wichtige p?pstliche Schreiben, in dem sich sowohl Problemanalyse (?kologisch und ?kologisch-sozial) wie auch normative Ma?st?be sowie konkrete Handlungsempfehlungen finden lassen. Für die konkreten Umweltprobleme, macht die Enzyklika, so Lienkamp, ideologische (Anthropzentrismus; instrumentelle Rationalit?t; praktischer Relativismus; Konsumismus ohne Ethik; Wegwerfkultur u.a.) sowie praktische Ursachen (Nutzung fossiler Kraftstoffe; Giftmüllexporte; Umgang mit Düngemitteln und Bioziden u.a.) aus. Ihnen begegnet der Papst mit normativen Ma?st?ben wie der Menschenwürde und den Menschenrechten, dem Eigenwert nicht-menschlicher Gesch?pfe, der Nachhaltigkeit, der Trias von Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Sch?pfung sowie der Option für die Armen und Ausgeschlossenen und dem Prinzip der allgemeinen Bestimmung der Güter. Als ethische Prinzipien werden das Verursacherprinzip, das Vorsorgeprinzip und das Prinzip der Beweislastumkehr genannt. Vor diesem Hintergrund entwickelt die Enzyklika konkrete Handlungsempfehlungen, die Lienkamp kurz skizzierte.
In der zweiten Arbeitseinheit stand die Bioethik und zwar mit Blick auf ethische Probleme am Lebensanfang im Mittelpunkt. Es referierten Prof. Dr. Angelika Walser (Salzburg), Prof. Dr. theol. habil. Arne Manzeschke (Erlangen) und Prof. Dr. Monika Bobbert (Münster).
Angelika Walser er?ffnete das Panel mit dem Vortrag Mensch sein zwischen Autonomie und Vulnerabilit?t. Reproduktionsmedizin im ?kumenischen Kontext. Walser verdeutlichte die Problematik des beginnenden Menschseins an dem neuen Konzept des Co-Parenting, das einen liberalen ?Markt‘ für Elternschaft bietet, der aber durchaus für das Kindswohl problematisch sein kann! Diese Problematik im Sinne eines Verwundet-werden-K?nnens deutete Walser durch den Begriff Vulnerabilit?t. Dieser l?sst sich als Korrektiv zum Begriff der Autonomie verstehen und macht auf ihre praktische Einschr?nkung aufmerksam. Zugleich aber muss Vulnerabilit?t aber auch hinsichtlich seiner Problematik (etwa hinsichtlich eines Fatalismus, eines Zynismus oder als Benennung eines Schadens, der behoben werden muss) kritisch gewendet werden. Vulnerabilit?t kann aber, so Walser, als hermeneutische Kategorie in ethischen Fragestellungen am Beginn des Lebens Bedeutung gewinnen.
Aus evangelischer Perspektive legteArne Manzeschke einen begründungstheoretischen Schwerpunkt im Komplex bioethischer Fragen. Unter dem Titel Wo anfangen? Koordinaten einer theologisch-ethischen Konzeption von Bioethik. Der Referent reflektiert auf den Beginn aller bioethischen Diskurse in Konvergenz zu den bioethischen Fragen am Lebensbeginn. Dabei wies er darauf hin, dass der Anfang deshalb interessant sei, weil er auf das Folgende, das Anschlie?ende verweist. In der theologischen Rede von der Sch?pfung als nicht-punktuellem Ereignis, sondern als etwas, das andauert (creatio continua), findet dies seine Entsprechung. Der Mensch wiederum hat in dieser creatio continua eine ?cocreatorische‘ Rolle. Diese l?sst dann auch die Rede von einer ?kumenischen (Bio)Ethik zu, weil eben die Frage des Anfangs und des dem Anfang Folgenden alle Menschen unabh?ngig von Konfession betrifft.
Monika Bobbert schlie?lich benannte in ihrem Beitrag Fragen am Lebensanfang: Dissense im ethisch-theologischen Diskurs drei wesentliche Problemstellungen: Die Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens, das Problem der vorgeburtlichen genetischen Diagnostik und die Forschung mit embryonalen Stammzellen. Dabei machte sie deutlich, dass es in den zunehmenden vorgeburtlichen Eingriffsm?glichkeiten zwischen den Konfessionen Konsense (etwa beim T?tungsverbot) wie auch Dissense (etwa in der Konzeptualisierung der Ethik zwischen Prinzip und Pragmatismus) gibt. Darüber hinaus geben sich sowohl intra- wie interkonfessionelle Dissense am Lebensanfang zu erkennen. Sie betreffen die Interpretation empirischer Fakten, den Zeitpunkt des menschlichen Todes, die Einschl?gigkeit von Normen (Lebensschutz, Autonomie, T?tungsverbot, Gleichheit, Leif?higkeit u.a.) wie den Zeitpunkt des Lebensanfangs. Zusammenfassend machte Bobbert deutlich, dass zentrale Dissense nicht entlang der konfessionellen Linien auszumachen seien, sondern sich vielmehr in der unterschiedlichen Beantwortung der ethischen Fragen des Handelns und Wertens quer zu den Konfessionen auffinden lassen.
Am Sp?tnachmittag konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kongresses in verschiedenen Führungen einen Einblick in das Weltkulturerbe Bamberg gewinnen. Der Abend klang dann auf einem der sieben Hügel Bambergs mit einem gemeinsamen Abendessen aus.