Die Regensburger Niedermünsterkirche liegt im Schatten des gotischen Doms (Fotos: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)

Ein Puzzle von Mauern aus tausend Jahren Baut?tigkeit im Bereich der Niedermünsterkirche

Michaela Konrad freut sich über ungest?rte Folgen von Bauschichten von der Vorgeschichte bis in das hohe Mittelalter (Fotos: Regina Neumann)

Die Arch?ologin pr?sentiert mit ihrer neuesten Publikation die vollst?ndige Dokumentation der Grabungen

1.500 Jahre Geschichte unter dem Regensburger Niedermünster

Bamberger Arch?ologin zeigt Forschungsergebnisse

?Bei Grabungen in der Niedermünsterkirche im Jahr 1963 stie? man auf eine ungest?rte Folge von Bauschichten, die von der Vorgeschichte über die r?mische Zeit und die Sp?tantike bis in das hohe Mittelalter reicht“, erl?utert Dr. Michaela Konrad, Professorin für Arch?ologie der R?mischen Provinzen an der Universit?t Bamberg. Ursache für die Entdeckung durch ein Team des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege war seinerzeit der Einbau einer Heizungsanlage. ?Dank der Einwerbung umfangreicher Drittmittel wurde aus einer Rettungsgrabung eine siebenj?hrige Forschungsgrabung, bei der spektakul?re Baustrukturen zu Tage gebracht wurden“, so die Arch?ologin.

Abschluss eines erfolgreichen Grabungsprojektes

Ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gef?rdertes Projekt der Bayerischen Akademie der Wissenschaft und des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege nahm sich zwischen 1996 und 2006 der Auswertung der bereits seit Langem abgeschlossenen Ausgrabungen an. Mit Michaela Konrad, Dr. Arno Rettner und Dr. Eleonore Wintergerst widmeten sich drei Spezialisten für die r?mische Zeit sowie für das frühe und das hohe Mittelalter einem Gemeinschaftsprojekt, um die für die Frühgeschichte Bayerns bedeutsamen Grabungsergebnisse auszuwerten und zu ver?ffentlichen.

Die Ausgrabung ist mit dem druckfrischen Band Die Ausgrabungen unter dem Niedermünster zu Regensburg I. Grabungsgeschichte und Befunde ?vollst?ndig dokumentiert und hinsichtlich der Bauabfolge abschlie?end interpretiert, obwohl der Verlust eines Gro?teils der Tagebücher die Forschungen erheblich erschwert hat“, fasst Konrad zusammen. Am 2. Dezember stellte sie zusammen mit ihren Koautoren die Erkenntnisse bei einer Pr?sentation dieses Buches in der Niedermünsterkirche vor. Die Publikation umfasst neben der Beschreibung und zeitlichen Zuordnung s?mtlicher Baustrukturen eine detaillierte fotografische Dokumentation sowie eine Mappe mit gro?formatigen Pl?nen und Zeichnungen, ?damit jede Interpretation, die wir liefern, auch noch in 50 Jahren nachgeprüft werden kann“.

Ein Meilenstein zur Kl?rung des Kontinuit?tsproblems

Die Forschungserkenntnisse stellen einen Meilenstein dar, um die Frage nach dem ?bergang von der Sp?tantike zum Frühmittelalter an einem Zentralort der Antike und des Mittelalters zu kl?ren, erl?utert die Professorin. Wichtig seien die grundlegend neuen Erkenntnisse über die Bev?lkerungsstruktur gegenüber den ersten, noch w?hrend der Ausgrabung gezogenen Schlüssen gewesen. Im Jahr 179 n. Chr. gründeten die R?mer ein Legionslager, ?Castra Regina“ genannt, in strategisch günstiger Lage nahe der Donau. Das Lager ist heute noch im Stadtbild der Regensburger Altstadt klar zu erkennen.

In der Nordostecke dieses Lagers, das etwa 25 Hektar gro? war und in dem etwa 5.000 Soldaten stationiert waren, liegt das heutige Kirchengel?nde. ?Unter dem Niedermünster befanden sich zun?chst die Unterkünfte von Legion?ren, danach wurde das Areal von einem repr?sentativen, mit Fu?bodenheizungen ausgestatteten Geb?ude eingenommen. In diesem, einer r?mischen Stadtvilla ?hnlichen Geb?ude, das bis um 475/476 n. Chr. genutzt wurde, residierte und wohnte vermutlich ein offizieller r?mischer Amtstr?ger noch zu einer Zeit, von der wir bisher dachten, dass die R?mer das ?sinkende Schiff‘ l?ngst verlassen h?tten“, erkl?rt Konrad.

R?mer haben Bev?lkerungsstruktur bis ins frühe Mittelalter gepr?gt

Mit diesem Ergebnis konnte Konrad die Hypothese festigen, dass in der Nordostecke des Legionslagers der sp?teste r?mische Herrschaftsmittelpunkt im 5. Jahrhundert n. Chr. zu verorten ist. ?Man kann heute nicht mehr davon ausgehen, dass die r?mische Bev?lkerung auf einen Schlag verschwunden ist“, f?hrt die Arch?ologin fort, ?sondern wir müssen vielmehr annehmen, dass bis weit in das 6. Jahrhundert hinein Nachfahren der R?mer im Bereich des ehemaligen Legionslagers lebten, dessen mehrere Meter hohe Umfassungsmauer aus Steinquadern der Bev?lkerung auch in den unruhigen Zeiten der V?lkerwanderung hinreichend Schutz bot.“ Diese Situation habe die Bev?lkerungsstruktur in Regensburg bis ins frühe Mittelalter gepr?gt, als der germanische Stamm der Bajuwaren das r?mische Erbe antrat. Denn Regensburg wurde schlie?lich Residenz der bairischen Herz?ge und beherbergte seit Karl dem Gro?en eine Pfalz der ostfr?nkischen K?nige, welche sicher nicht zuf?llig unweit des Niedermünsterareals errichtet wurde.

Die neuen Erkenntnisse haben aber auch den Ansto? dazu gegeben, so Konrad, das als musealer Bereich gestaltete arch?ologische Untergeschoss im Niedermünster nicht nur komplett neu zu gestalten, sondern auch inhaltlich zu überarbeiten. Auch hier wirkten die drei Wissenschaftler mit. Nimmt man die Treppe neben dem Eingang hinunter ins sogenannte document Niedermüster, erschlie?t sich entlang farbig gestalteter Zeitebenen auf 600 Quadratmetern Fl?che eine der gr??ten und bedeutendsten Ausgrabungsst?tten Deutschlands. Das ma?geblich vom Bistum Regensburg, aber auch von externen Sponsoren getragene document Niedermünster ?ffnete im Juli 2011 seine Pforten.

Transfer nach Bamberg: interdisziplin?re Lehr- und Forschungsgrabung in Regensburg

Ein gro?er Glücksfall war die M?glichkeit, weitere Erkenntnisse zur Bedeutung der Nordostecke des Legionslagers in Sp?tantike und Mittelalter im Rahmen einer Lehr- und Forschungsgrabung zu gewinnen. Im Sommer 2011 führten n?mlich die Professur für Arch?ologie der R?mischen Provinzen und die Professur für Denkmalpflege, die beide am Institut für Arch?ologie, Denkmalkunde und Kunstgeschichte angesiedelt sind, im Rahmen eines Kooperationsprojektes eine Lehr- und Forschungsgrabung der Universit?t Bamberg am Campanile der Alten Kapelle durch, einem freistehenden Glockenturm. In diesem interdisziplin?ren Projekt zeigten Studierende der Universit?t Bamberg ?gro?en Einsatz“, freut sich Konrad. Sie blickt zurück auf vier Wochen, die gepr?gt waren von Entdeckergeist und Dynamik. ?Es herrschte trotz schwieriger Bedingungen, die mit einer Altstadtgrabung verbunden sind, eine tolle Stimmung“, betont sie und meint, dass neben der praktischen Erfahrung auch die sozialen Aspekte einer Grabung für die Studierenden nicht untersch?tzt werden dürfen. ?Niedermünster ist ein Beispiel dafür, dass unsere Wissenschaft von der Erschlie?ung neuer Quellen lebt und eben nicht ?knochentrocken‘ ist!“

Weitere Informationen

Detaillierte Informationen zum Niedermünsterprojekt finden Sie auf der Internetseite der Professur für Arch?ologie der R?mischen Provinzen und des Bistums Regensburg. Ein Portr?t der Arch?ologin finden Sie in unseren News: www.uni-bamberg.de/kommunikation/news/artikel/portrait-konrad/

Literatur

Michaela Konrad – Arno Rettner – Eleonore Wintergerst (Hrsg.), Die Ausgrabungen unter dem Niedermünster zu Regensburg I. Grabungsgeschichte und Befunde (München 2011)

Michaela Konrad, Die Ausgrabungen unter dem Niedermünster zu Regensburg II. Bauten und Funde der r?mischen Zeit. Auswertung (München 2005).