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Festakt 2022

Der diesj?hrige Festakt der Frauenbeauftragten stand unter dem Motto "Geschlechtersensible Forschung". Neben einem Impulsvortrag wurden Preise verliehen und rege diskutiert.


?Exzellente Forschung muss die Dimension Geschlecht im Blick haben.“

Geschlechtersensible Forschung im Zentrum des Festaktes der Frauenbeauftragten

?Unl?ngst wurde eine Studie zu einer Herpesviren-Impfung durchgeführt und es zeigte sich kein Effekt der Impfung…“ Mit diesen Worten er?ffnete Prof. Dr. Astrid Schütz den diesj?hrigen Festakt der Frauenbeauftragten. Es zeigte sich so lange kein Effekt bei der Impfung, ?bis jemand auf die Idee kam, die Daten nach Geschlecht getrennt zu analysieren. Das Ergebnis: Die Impfung hatte bei Frauen deutliche Effekte, bei M?nnern keine. Erkl?rt wurde das damit, dass ?strogen die Immunantwort unterstützt“, erl?uterte Schütz weiter. Mit diesem plakativen Beispiel führte die Frauenbeauftragte der Universit?t die G?ste in das übergeordnete Thema des Festaktes ein: Geschlechtersensible Forschung. Medizinische Studien betreffen die Universit?t Bamberg aufgrund ihres 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网s zwar nicht direkt, es geht aber darum, bei Forschungsvorhaben über F?cher hinweg Geschlecht bei Theoriebildung, Studiendesign, Auswertung und Interpretation mit zu bedenken und zu prüfen, ob es eine Rolle spielt. Exzellente Forschung muss auch die Dimension Geschlecht im Blick haben, erl?uterte Astrid Schütz.

109 Wissenschaftler*innen bereits im Netzwerk ?Geschlechtersensible Forschung“

Seit Juli 2022 f?rdert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Strukturprojekt ?GENIAL forschen“ an der Universit?t Bamberg. Die Abkürzung steht für ?GeschlechterpoteNzIALe nutzen – Gesellschaft ver?ndern“. Ziel des Projekts ist es, geschlechtersensible, bedarfsorientierte Forschung zu st?rken und nachhaltig zu verankern. ?Es ist uns im letzten Jahr gelungen, viel Aufmerksamkeit und Unterstützung für das Thema zu finden“, freute sich Astrid Schütz, die das Projekt leitet. Geschlechtersensible Forschung ist als Querschnittsthema im Forschungsinformationssystem (FIS) eingerichtet und eine Profilinitiative etabliert worden. In einem Forschungsnetzwerk sind über den Virtuellen Campus (VC) bereits 109 Forschende der Universit?t eingetragen. Und es gab zahlreiche Veranstaltungen zum Thema – etwa im Rahmen des Diversity-Tags. Aktuell l?uft die Bewerbung um eine langfristige F?rderung für die Jahre 2024 bis 2028.

Kai Fischbach: ?Die Universit?t Bamberg ist weiblich“

Auch abseits von ?GENIAL forschen“ tut sich einiges in Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit, wie das Gru?wort des Universit?tspr?sidenten Prof. Dr. Kai Fischbach zeigte: Es wurden 2022 erneut erfolgreich internationale Gastprofessuren mit dem Schwerpunkt Genderforschung und Diversity ausgeschrieben, das Vorlesungsverzeichnis Gender und Diversity ist im Wintersemester wieder prall gefüllt und ein Gender Equality Plan ist auf der Webseite der Universit?t zu finden. Besonders freut sich Kai Fischbach über die hohe Frauenquote an der Universit?t: 64 Prozent der Mitarbeitenden im wissenschaftsstützenden Bereich, 60 Prozent der Studierenden, 53 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeitenden und 37 Prozent der Professor*innen sind Frauen. ?Die Universit?t Bamberg ist weiblich“, bekr?ftigte Fischbach. ?Insbesondere was die Professor*innen betrifft, belegen wir mit dieser Zahl die Spitzenposition in Bayern und sogar in Deutschland insgesamt.“ Diesen Vorsprung konnte die Universit?t in den letzten Monaten noch weiter ausbauen, da wie im Vorjahr die H?lfte der neuen Professuren mit Frauen besetzt wurde. ?Das ist eine gro?e Bereicherung für die Universit?t“, freute sich der Universit?tspr?sident.

Sind M?nner J?ger und Frauen Sammlerinnen?

Wie wichtig Geschlechtersensibilit?t in der Forschung ist, zeigte der Festvortrag von Prof. Dr. Brigitte R?der. Sie ist Leiterin des Fachbereichs Ur- und Frühgeschichtliche und Provinzialr?mische Arch?ologie an der Universit?t Basel. Ausgangspunkt ihres Vortrags war das Ph?nomen, dass in aktuellen Geschlechterdebatten immer wieder auf die angeblich ?ursprünglichen‘ und ?natürlichen‘ M?nner- und Frauenrollen in der Urgeschichte Bezug genommen wird. Die Rollen waren damals vermeintlich klar. Der Mann ist der J?ger und die Frau die Sammlerin. Oder anders ausgedrückt: Der Mann ist der Ern?hrer und das Familienoberhaupt, die Frau ist Mutter, Hausfrau und Gattin. Das Rekurrieren auf die Urgeschichte dient laut R?der vor allen Dingen der Selbstvergewisserung und Orientierung in der aktuellen Debatte. Denn es zeige vermeintlich, wie M?nner und Frauen von Natur aus sind. Die Urgeschichte diene demnach als Kulisse und Argumentationsplattform für diejenigen, die an traditionellen Identit?tskonzepten und Rollenmodellen festhielten.

Arch?ologie kann aufzeigen, dass es kein universales ursprüngliches Geschlechtermodell gibt

?Der enorme historische Zeitraum des Vergleichs spielt offenbar keine Rolle“, sagte R?der. ?Immerhin umfasst die Menschheitsgeschichte rund 3 Millionen Jahre. Das ist eine unvorstellbar lange Zeit, in der tiefgreifende Ver?nderungen stattgefunden haben.“ Anzunehmen, dass das Geschlechtermodell unver?ndert geblieben und obendrein überall gleich gewesen sei, sei aus kulturgeschichtlicher und sozialwissenschaftlicher Sicht geradezu absurd. Dieses Geschlechter- und Familienmodell sei überdies historisch eine recht junge Erscheinung, die erst vor rund 250 Jahren im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft entstanden sei. Selbst bei wissenschaftlichen Interpretationen komme das Modell aber selten auf den Prüfstand. Dabei bietet die Arch?ologie dahingehend selbst ein enormes Erkenntnispotenzial, wie Brigitte R?der anhand von Beispielen zeigte: Im Grab eines Mannes aus 3400 vor Christus wurden etwa Grabbeigaben gefunden, die darauf hindeuten, dass er Textilien hergestellt hat, was traditionell als weibliche T?tigkeit betrachtet wird. Dass der Mann tats?chlich viel Zeit mit Weben verbracht hat, zeigen spezifische Ver?nderungen an seinen Oberschenkeln, die dann entstehen, wenn man lange in der tiefen Hocke sitzt – eine Haltung, die bestimmte Webstühle erzwingen. Skelette aus einem Gr?berfeld aus der Eisenzeit, das in der N?he eines Bergwerks gelegen war, verraten, dass auch Frauen damals im Bergbau t?tig waren.

Vor dem Hintergrund dieser exemplarischen Ausführungen sagte Brigitte R?der: ?Ich finde, die Arch?ologie hat eine gesellschaftspolitische Verantwortung, sich mit ihrer Expertise in die gesellschaftliche Debatte einzumischen und Fakten von Projektionen zu trennen.“ Voraussetzung sei, dass sie sich mit sich selbst kritisch auseinandersetze. Das patriarchale Geschlechtermodell dürfe nicht selbst in der arch?ologischen Forschung unhinterfragt übernommen werden. ?Dann kann die Arch?ologie aufzeigen, dass es kein universales ursprüngliches Geschlechtermodell gab. Sie kann zeigen, dass für die Urgeschichte vielmehr mit einer Vielfalt an Geschlechterverh?ltnissen zu rechnen ist und dass diese h?chst wandelbar sind.“

Weitere Diversit?tsmerkmale sollten künftig in den Blick genommen werden

In der anschlie?enden Podiumsdiskussion zeigte sich, dass nicht nur die Arch?ologie mit diesem Ph?nomen konfrontiert ist. Prof. Dr. Christof Rolker, der die Professur für Historische Grundwissenschaften an der Universit?t Bamberg innehat, best?tigt: ?Das Mittelalter erf?hrt ganz ?hnliche Zuschreibungen – sowohl wissenschaftsintern als auch -extern.“ Selbstverst?ndlichkeiten würden in eine nur lückenhaft bekannte Vergangenheit projiziert und begegneten uns wieder als verst?rkte Sicherheit, die sich auch in die Wissenschaft übertrage. Etwa bei der Debatte um nicht-bin?res Geschlecht herrsche oft die Annahme vor, dass es sich um ein ganz neues Ph?nomen handle. ?Als Rechtshistoriker bin ich auf einen sehr gro?en Fundus an Debatten gesto?en, in denen sp?testens ab dem 12. Jahrhundert darüber diskutiert wurde, wie viele Geschlechter es gibt, wie sich k?rperliches zu juristischem Geschlecht verh?lt“, erkl?rte Rolker. Die juristische Binarit?t der Geschlechter habe in Deutschland erst mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch 1900 Einzug gehalten. An diesem Beispiel zeigte sich überdies, dass die geschlechtersensible Forschung, im Sinne von Unterschieden zwischen Frau und Mann, ausgeweitet werden muss. Das sieht auch Prof. Dr. Thomas Saalfeld, Vizepr?sident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, so: ?Die Geschlechtersensibilit?t ist ein wichtiger Punkt, der langfristig in eine erweiterte Perspektive übergehen sollte, die viele andere Diversit?tsmerkmale in den Blick nehmen muss.“ Er sieht darüber hinaus an der Universit?t Bamberg als eine geistes- und sozialwissenschaftlich gepr?gte Universit?t bereits ein starkes Bewusstsein für die Bedeutung von Geschlechtsunterschieden oder auch für Fragen von Gender.

Zahlreiche Preise für herausragende Leistungen von Wissenschaftler*innen

Wie gro? dieses Bewusstsein bereits ist, wird derzeit in der Universit?tsbibliothek unter Beweis gestellt. Der Festakt wurde in diesem Jahr flankiert von einer Ausstellung in der Teilbibliothek 3. Wissenschaftler*innen der Universit?t Bamberg stellen dort noch bis Dienstag, 31. Januar 2023, in Form von Postern ihre Forschung und insbesondere die darin enthaltenen Aspekte der Geschlechtersensibilit?t vor. Am Abend des Festakts wurden zwei Poster ausgezeichnet: Den Jurypreis erhielt Magdalena Eriksr?d-Burger für ihr Poster zu ihrem Dissertationsprojekt, in dem sie neue Perspektiven auf das Prager Kunstleben in der Moderne und Potentiale zur F?rderung kultureller Partizipation von Frauen aufzeigt.  Der Publikumspreis ging an Daniel M. Mayerhoffer und Jan Schulz-Gebhard. In ihrem Poster stellen sie ein Forschungsprojekt vor, das sich mit der Untersch?tzung geschlechterbezogener Gehaltsunterschiede auseinandersetzt. Im Anschluss wurde der Bettina-Paetzold-Preis für gute Genderlehre an Leonie Ackermann und Caroline Oehlhorn vergeben für ihr Seminar ?Genderaspekte in der (Wirtschafts-) Informatik“. Den Preis der Universit?tsfrauenbeauftragten für Studentinnen mit hervorragenden Leistungen (PUSh) erhielten in diesem Jahr Gülsah Arslan Bauer, Lale Diklitas, Sofie Dippold und Magdalena Hoffmann.


Weitere Informationen zur digitalen Posterausstellung unter: www.uni-bamberg.de/genial/posterausstellung

Der VC-Kurs zum Netzwerk ?Geschlechtersensible Forschung“ ist zu finden unter: #/enrol/index.php?id=54814