Einleitung
Zun?chst einmal sollte erw?hnt werden, dass ich bis vor dem Besuch der Lehrveranstaltung wenig bis keine Vorkenntnisse zu dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) besa? und sich meine Erfahrungen mit solchen Tools auf einige wenige Versuche beschr?nkten, herauszufinden, was KI überhaupt ist. Die Frage des K?nnens sollte sich dann recht schnell im Seminar beantworten, zus?tzlich zu all jenen Gesichtspunkten, die unmittelbar mit der ganzen Thematik in Verbindung stehen. Als ich dann in der Veranstaltung zum Thema KI und Kreativit?t sa?, bahnten sich langsam ungeahnte M?glichkeiten an die Oberfl?che:
Schon seit geraumer Zeit schwirrt mir im Kopf die Idee herum, einmal selbst Belletristik zu ver?ffentlichen. Dass sich dies als Ein-Mann-Projekt bzw. Eine-Frau-Projekt jedoch relativ schwierig realisieren l?sst, war mir schon von Beginn an bewusst. W?hrend ich als Autor[i] zwar Idee und Text liefern kann, sorgen Lektoren für den letzten Feinschliff, Grafikdesigner für die visuelle Untermalung meiner Idee und – sollte mein Werk jemals so erfolgreich sein – Sprecher für die optimale Vertonung der Geschichte. Von einem Verlag, der sich um Ver?ffentlichung und Vertrieb des Buches kümmert, ganz zu schweigen. Ergo: Mit ein paar Tastaturschl?gen ist es noch lange nicht getan.
Mir war vorher jedoch nie bewusst, wie weit die Künstliche Intelligenz heutzutage vorangeschritten war, was für M?glichkeiten sich aus diesem technologischen Fortschritt herausbilden k?nnen. Und: Inwiefern mir dieses Netzwerk aus Tausenden von Neuronen dabei helfen kann, meinem Traum vom Schriftstellerinnen-Dasein etwas n?her zu kommen oder – zumindest – ihn zu imitieren. Denn ganz traue ich der KI nun doch nicht zu, menschliche Kreativit?t und menschliches Schaffen so einfach ersetzen zu k?nnen.
Mein Ziel in dieser Arbeit ist es, mit Hilfe der KI-Tools ChatGPT, StableDiffusion und ElevenLabs den Prozess des Schreibens, visuellen Gestaltens und Vertonens einer Kurzgeschichte zu imitieren, um zu sehen, inwieweit die KI wirklich eine Unterstützung im kreativen Vorgehen sein kann, wie genau mit diesen Tools umgegangen werden muss und vor allem: Welche neuen Aspekte und Gesichtspunkte, die in diesem Prozess unbedingt beachtet werden müssen, sich dadurch er?ffnen. Kann KI überhaupt Kreativit?t? K?nnen KI-Tools Menschen in ihrer Arbeit als Autoren, Lektoren, Grafikdesigner und Sprecher wirklich ersetzen? Wie muss mit den Programmen umgegangen werden, und was bedeutet KI für die Autorschaft?
Um KI-Tools in einem kreativen Prozess einzusetzen, muss zuerst die grundlegende Frage gestellt werden: Kann KI kreativ sein? Einige Autoren haben sich bereits mit der Thematik auseinandergesetzt und unterschiedliche Ansichten herausgearbeitet. Dieter Mersch beispielsweise befasste sich in seinem Aufsatz ?Kreativit?t und Künstliche Intelligenz: Einige Bemerkungen zu einer Kritik algorithmischer Rationalit?t“[ii] mit ebendieser Frage. Er hebt zun?chst hervor, dass Kreativit?t als eine der grundlegenden menschlichen F?higkeiten, in seinen Worten, als ?basales humanes Verm?gen“[iii], gilt. Zu Beginn fokussiert sich Mersch allerdings auf das Bewusstsein: In einem Beispiel demonstriert er den Unterschied zwischen einem menschlichen und einem künstlichen Hirn. Wird ein Gehirn isoliert, so wie es bei der KI der Fall ist, k?nne es weder Kriterien für Realit?t, Wahrheit und Bedeutung aufstellen, noch sei es in der Lage, seine eigenen referenziellen Beziehungen zu beurteilen. Der Grund dafür ist so einfach wie schlüssig: Ein isoliertes Gehirn wei? nicht, wo es sich befindet. Es hat keine Verbindung zur Au?enwelt und damit auch nicht zu einer zusammenh?ngenden Geschichte.
In einem anderen Beispiel erkl?rt Mersch ferner, dass es Ansichten gibt, Menschen denken mit ihrem K?rper, also leiblich, und unser Bewusstsein entstehe aus den Funktionen des gesamten K?rpers, nicht aus einem einzelnen Gehirn heraus.[iv] Würde man diesen Aussagen folgen, so k?nnte man annehmen, Künstliche Intelligenz bes??e kein Bewusstsein, so wie es Menschen tun, und folglich auch nicht die F?higkeit zur Kreativit?t. Doch heutzutage gibt es unz?hlige Beispiele von KI generierten Inhalten, die manch einer durchaus als kreativ einsch?tzen k?nnte. Mersch nennt hier Forschungsprojekte zu artifizieller Kreativit?t als Beispiel, die als kreativ gelten, da sie etwas Neues, ?berraschendes oder Interessantes hervorbringen.
An gleicher Stelle erw?hnt er, dass die Einsch?tzung humaner Urteilsbildung unterliegt und deswegen nicht strikt als kreativ oder nicht kreativ angesehen werden kann. An dieser Stelle l?sst sich allerdings einwenden, dass die KI selbst nicht einsch?tzen kann, ob etwas kreativ, oder auch neu oder nützlich, ist. Nur der Mensch besitzt die F?higkeit der Einsch?tzung, da er Kreatives erst hervorgebracht und daher auch die spezifischen Kriterien für Kreativit?t festgelegt hat. Dennoch kann die Einsch?tzung, ob etwas kreativ ist, auch von Person zu Person variieren. Für Mersch ist jedenfalls ein Faktor bei der Betrachtung von Kunst besonders wichtig: Die Reflexivit?t. Denn Kunst sei stets Kunst über Kunst, und diese beziehe sich auf etwas. Kreativit?t sei also stets mit Reflexion, mit einem Bezug verbunden. Artifizielle Kunst bzw. Kreativit?t erzeuge allerdings auch nichts Neues, sondern beziehe sich ebenfalls immer auf ein Ganzes, auf die ?existenziellen wie kulturellen Bedingungen des Humanen“[v].
In Merschs Aufführungen lassen sich durchaus Argumente für und gegen die M?glichkeit von Kreativit?t Künstlicher Intelligenzen finden. Isolierte Gehirne haben kein Bewusstsein und k?nnen daher auch nicht kreativ sein. Aber ihre erschaffenen Inhalte beziehen sich, wie die humane Kunst selbst, auf andere Werke und Inhalte, k?nnen also durchaus als reflexiv und folglich auch als kreativ angesehen werden. Ist die Einsch?tzung, ob etwas kreativ ist, nicht wirklich nur an die menschliche Wahrnehmung gebunden? Ist etwas Neues, ?berraschendes unbedingt kreativ? Kann die Beurteilung nicht von Mensch zu Mensch anders sein? Und wenn der Aspekt des Bezuges und der Reflexivit?t als ein Merkmal von Kunst und Kreativit?t gilt, so w?re jede KI per se kreativ, denn ihre mit Informationen gefüllte Datenbank dient als Referenz genauso sehr, wie unser menschliches Bewusstsein uns mit Eindrücken und Wissen versorgt, die unser kreatives Schaffen genauso referenziell und bezogen gestalten.
[i] In dieser Arbeit wird aus Gründen der Vereinfachung lediglich ein Geschlecht stellvertretend für alle Gender-Formen verwendet.
[ii] Dieter Mersch: ?Kreativit?t und Künstliche Intelligenz: Einige Bemerkungen zu einer Kritik algorithmischer Rationalit?t“, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft, Jg. 11 (2019), H. 21, S. 65–74.
[iii] Ebd., S.66.
[iv] Ebd., S.65-74.
[v] Ebd., S.74.
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