Grab und Begr?bnis, Tod und Sterben von der Karolingerzeit bis zum Drei?igj?hrigen Krieg

Projektleitung: PD Dr. Markus Sanke

Laufzeit: 01.01.1999 – 30.09.2002

Nachdem sich in verschieden Regionen Mitteleuropas zu unterschiedlicher Zeit das Christentum durchgesetzt hatte, endete die Vielfalt der "heidnisch" motivierten oder einem Synkretismus entstammenden Grabbr?uche. Neben dem Erl?schen der Beigabensitte zeichnet sich das christliche Grab durch eine Lokalisierung am Standort der Kirche, durch weitgehende Beigabenlosigkeit sowie eine Vereinheitlichung des Grabbaus aus. Dieser Umstand hat die Auffassung entstehen lassen, das christliche Grab sei allein durch die Heilserwartung der zugrundeliegenden Religion zu erkl?ren und daher im Gegensatz zu ?lteren Grabformen keine brauchbare Quelle einer ideengeschichtlich interessierten Altertumskunde. Bei n?herem Hinsehen stellt sich heraus, da? neben einheitlichen, beigabenlosen, schlichten, auf Kirchenfriedh?fen angeordneten Gr?bern in allen Zeiten auch von diesem Schema abweichende Bestattungen auftreten. Dies betrifft Merkmale des Leichenbeh?ltnisses, der Grabausstattung sowie die Lage der Bestattungspl?tze und der Gr?ber innerhalb der Bestattungspl?tze. Auch Merkmale, die prinzipiell an allen arch?ologisch erforschten Gr?bern beobachtet werden k?nnen, unterliegen einem zeitlichen Wandel und m?glicherweise auch einer r?umlichen Differenzierung. Hier ist die Position des Leichnams im Grab, die Position des Grabes innerhalb des Bestattungsplatzes sowie die Position des Bestattungsplatzes als Ganzes zu nennen. Die Habilitationsschrift will den Quellenwert von Gr?bern des Mittelalters und der Neuzeit für eine Rekonstruktion ideen- und mentalit?tsgeschichtlicher Prozesse untersuchen. Sie geht von arch?ologischen Beobachtungen an Gr?bern eines langen Zeitraums und einer gro?en geographischen Region aus. Der Ansatz einer "longue durée" und die Behandlung eines gro?en geographischen Gebietes ist notwendig, da einer Vielzahl von quellenkundlich wenig ergiebigen Gr?bern eine sehr viel geringere Zahl von aussagekr?ftigen Befunden gegenüberstehen und somit eine fundierte Analyse schon aus statistischen Gründen eine gro?e Zahl von arch?ologischen Beobachtungen zum Grabbrauch erfordert. Das Arbeitsgebiet der Studie umfa?t das Territorium der Bundesrepublik Deutschland unter Einbeziehung der benachbarten Regionen der angrenzenden Staaten. Der Zeitraum der Untersuchung beginnt in der Epoche, in der im Westen des Untersuchungsgebietes die weitgehende Durchsetzung des Christentums angenommen werden darf, also in der Karolingerzeit. Das Ende des Untersuchungszeitraums ist mit dem drei?igj?hrigen Krieg eher willkürlich gew?hlt. M?glicherweise wird es sich als sinnvoll erweisen, die etwa anderthalb bis zwei Jahrhunderte nach diesem Termin, in denen die Quantit?t arch?ologischer Belege dann rapide abnimmt, mit in die Studie aufzunehmen. Das erste Erkenntnisinteresse der Studie liegt in der Frage, ob und inwieweit sich die an Gr?bern im Untersuchungsraum und -zeitraum beobachteten materiellen Merkmale zu einer Interpretation der diese bedingenden ideellen Motive eignen: Lassen sich - unterhalb einer allgemein verbindlichen Ebene christlicher Vorstellungen von Tod, Sterben und Jenseits - Motive ermitteln, die kollektiven oder individuellen, zeitlichen und r?umlich variablen Motiven der bestattenden Gemeinschaften entstammen?
Der methodische Ansatz der Studie ist im wesentlichen derjenige einer Quellenkritik. Aus der Materialbasis und der übergeordneten Fragestellung folgt als Methode der Auswertung ein Vergleich der arch?ologischen Befunde mit der nichtarch?ologischen zeitgen?ssischen ?berlieferung. Im Einzelnen erscheint die wissenschaftliche Auswertung folgender vier Themenkomplexe aus arch?ologischer Perspektive mentalit?tsgeschichtlich besonders ergiebig:

  • Lassen sich im Zeitverlauf sowie in der regionalen Verteilung Differenzierungen bei der Ortswahl von Gr?bern innerhalb der Bestattungspl?tze ausmachen? Dies betrifft besonders die Kircheninnenbestattungen. Wenn ja: lassen diese ?nderungen Rückschlüsse auf ver?nderte Vorstellungen über eine "Topographie der jenseitigen Welt" zu (Stichwort: Fegefeuerkonzeption)?
  • Lassen sich im Zeitverlauf sowie in der regionalen Verteilung Differenzierungen bei der Position des Leichnams im Grab erkennen? Finden die Totenhaltungen Analogien bei der Darstellung lebender Personen in der bildenden Kunst und lassen sich solche "Gesten" deuten, etwa als Zeugnisse für Haltungen wie Demut, Andacht, Standesbewu?tsein etc.?
  • Lassen sich im Zeitverlauf sowie in der regionalen Verteilung Differenzierungen bei der Wahl des Leichenbeh?ltnisses feststellen? K?nnen bestimmte Grabformen als Ausdruck für spezifische Vorstellungen von der "Zeit im Grab" gewertet werden? Welche ideengeschichtliche Bedeutung k?nnen bestimmte, h?ufig zu beobachtende Grabdetails gehabt haben?
  • Lassen sich im Zeitverlauf sowie in der regionalen Verteilung Differenzierungen bei der Deponierung von Grabbeigaben ermittelt werden? Wie ver?ndert sich die Frequenz der Grabbeigaben insgesamt und einzelner Gattungen im Zeitverlauf, welche Vorstellungen k?nnten bei der Mitgabe bestimmter Objekte eine Rolle gespielt haben?

Zus?tzlich zu einer zeitlichen und r?umlichen Differenzierung der genannten Merkmale wird, wo m?glich, auch die personale Komponente der Bestatteten, angefangen bei Alter und Geschlecht bis hin zur Zuordnung zu bestimmten St?nden und Gruppen, zu berücksichtigen sein.

Publikationen:

Sanke 2001
M. Sanke, Grab und Begr?bnis, Tod und Sterben von der Karolingerzeit bis zum Drei?igj?hrigen Krieg. Arch?ologische Studien zur materiellen Reflexion von Jenseitsvorstellungen und ihrem Wandel. In: R. Bergmann (Hrsg.), Mittelalterforschung in Bamberg. Beitr?ge aus dem Zentrum für Mittelalterstudien. Forschungsforum. Berichte aus der Otto-Friedrich-Universit?t Bamberg 10 (Bamberg 2001) 48–49.