Das frühmittelalterliche Gr?berfeld von Altenerding und die Ethnogenese der Baiern

Projektleitung: PD Dr. Hans Losert

Mitwirkende Institutionen: Slowenische Akademie der Wissenschaften Ljubljana (Laibach)

Laufzeit: 01.01.1995 – 01.01.2002

Die Nekropole von Altenerding wurde 1965 im Verlauf eines beginnenden Gro8bauvorhabens entdeckt und danach in fünf insgesamt etwa 16 Monate dauernden Kampagnen w?hrend der Jahre 1966 - 1969 und 1973 von Prof. Dr. Walter Sage arch?ologisch untersucht.

Das Gr?berfeld von Altenerding, dessen Nutzung etwa 150 Jahre vor der ersten urkundlichen Erw?hnung der Baiern begann, ist das gr??te frühmittelalterliche bzw. merowingerzeitliche Gr?berfeld auf süddeutschen Boden und eines der gr??ten Mitteleuropas. Der Anteil alt beraubter Bestattungen ist au?ergew?hnlich gering, die Ausstattungen der Toten mit Trachtbestandteilen und Beigaben zum Teil durchaus überdurchschnittlich. Die Nekropole schien daher, nicht zuletzt wegen des frühen Belegungsbeginns sp?testens am gbergang von der Sp?tantike zum frühen Mittelalter, ganz besonders geeignet, im Zusammenhang mit nachwievor von der historischen Forschung kontrovers diskutierten, die Ethnogenese der Baiern angehenden Fragestellungen, untersucht zu werden.

Einen ersten Schwerpunkt der Arbeit bildet die Diskussion der verschiedenen Standpunkte und Modelle zu der aus den Schriftquellen erschlossenen historischen Entwicklung, vornehmlich in den alten r?mischen Provinzen Raetia secunda und Noricum ripense (Ufernoricum) sowie in den Nachbargebieten. Dabei wurde vor allem die Phase vom gbergang der Sp?tantike zum frühen Mittelalter bis hin zu den ersten Erw?hnungen der Baiern bei Jordanes und Venantius Fortunatus besonders berücksichtigt. Es zeigt sich ganz deutlich, da? die Schriftquellen durchaus geeignet sind, ein Bild über bestimmte Ereignisse w?hrend dieses Zeitraums n?rdlich der Alpen zu vermitteln, diese das bairische Kernland bis in die Zeit um 550 jedoch weitgehend aussparen. Nur die Ereignisse der Vita Sancti Severini aus der Zeit von um 476 bis 482 spielen sich wenigstens zum Teil im sp?ter als bairisch bezeichneten Bereich ab. Die in dieser einzigartigen Quelle geschilderten Zust?nde wirken trotz der literarischen Gattung einer Heiligenvita im Vergleich ungew?hnlich detailliert und konkret. Umsomehr verwundert es, da? hier ein eindeutiger Hinweis auf die Baiern v?llig fehlt. Allein über die politische Zugeh?rigkeit des bairischen Alpenvorlands k?nnen auch für die Zeit nach der Absetzung des letzten westr?mischen Kaisers bis zur ersten Nennung der Baiern einige Aussagen gemacht werden, die ?berlegungen der Historiker hierzu sind freilich auch nicht gerade einheitlich.

Das Gr?berfeld liegt im Bereich einer r?mischen Nekropole mit Brandgr?bern, die durch zahlreiche verbrannte Keramikscherben und einzelne verbrannte Menschenknochen in den Grabverfüllungen der frühmittelalterlichen Bestattungen nachgewiesen ist. Sekund?r verbrannte Scherben der Hallstattzeit machen zudem wahrscheinlich, da? hier auch vorgeschichtliche Brandgr?ber lagen. Einzelne K?rpergr?ber k?nnten durchaus noch einer sp?tantiken Phase angeh?ren. So liegt etwa aus einem zerst?rten Grab eine vollst?ndig erhaltene Sigillataschale aus den Argonnen vor. Dazu kommen zahlreiche "Altstücke", vornehmlich des 4. Jahrhunderts, in den merowingerzeitlichen Gr?bern. Die Nekropole lag mit Sicherheit in unmittelbarer N?he einer bis in die Sp?tantike bestehenden r?mischen Siedlung.

Die Belegung des frühmittelalterlichen Gr?berfeldes begann in einer Zeit, als die Provinz Raetia Prima nominell noch zum westr?mischen Reich bzw. zur Di?zese Italia geh?rte, wohl deutlich vor 450. Dies setzt das Bestehen einer offenen Siedlung, die ohne bestimmte politische Rahmenbedingungen nicht denkbar ist, voraus. W?hrend der zweiten H?lfte des 5. und der ersten H?lfte des 6. Jahrhunderts bestattete hier eine Gemeinschaft, die offenbar über weitreichende Beziehungen verfügte und w?hrend der Frühphase der Merowingerzeit wohl auch durch Zuzug von verwandten Familienverb?nden, auch aus Regionen, die nicht zum r?mischen Reich geh?rten, vergr??ert wurde. Dabei dürfte es sich bei der "Gründergeneration" zumindest zum Teil um Gruppen gehandelt haben, die gew?hnlich als foederati oder besser dediticii bezeichnet werden. Dieser oder ein ?hnlicher Status k?nnte durchaus auch noch (oder wieder) zu Zeiten Theoderichs, aber auch, unter anderem politischen Vorzeichen, zu Lebzeiten Theudeberts gegolten haben. Da? es darunter anfangs auch Personen mit einem gewissen "Romanisierungsgrad" gab, ist wegen der Verh?ltnisse w?hrend der Sp?tantike durchaus anzunehmen.

Der Name Baiern wurde w?hrend der ersten H?lfte des 6. Jahrhunderts m?glicherweise von einem "akademisch" gebildeten Schreiber einer ostgotischen oder fr?nkischen Kanzlei deswegen gew?hlt, weil dieser darüber Kenntnis hatte, da? zu seiner Zeit immer noch Gruppen aus B?hmen in das vergleichsweise nicht allzu dicht besiedelte Alpenvorland einwanderten, was die Relevanz ?lterer elbgermanischer Funde vom Typus "Friedenhain-Prestovice" für die Namengebung, zumindest in ihrer Verallgemeinerung, freilich etwas relativieren würde. Für die sp?tantik-frühmittelalterliche Siedlungsgeschichte im Voralpenland spielten zun?chst die politischen und strategischen Interessen der Ostgoten unter Theoderich, die unter anderem auf eine Wiederherstellung der sp?tantiken Verwaltungsstrukturen abzielten, eine gewichtige Rolle. Infolge des ver?nderten M?chtegleichgewichts in Europa nach mit dem Tode Theoderichs geriet diese Region unter fr?nkischen Einflu?, aus dem sich die Baiern bis in die Zeit Karls des Gro?en immer wieder mit unterschiedlichem Erfolg zu l?sen versuchten.

Publikationen:

Losert/Pleterski 2003
H. Losert/A. Pleterski, Altenerding in Oberbayern. Struktur des frühmittelalterlichen Gr?berfeldes und ?Ethnogenese“ der Bajuwaren (Berlin/Bamberg/Ljubljana 2003).

Losert 2003
H. Losert, Teil 1. Das frühmittelalterliche Gr?berfeld von Altenerding in Oberbayern und die ?Ethnogenese“ der Bajuwaren. In: Losert/Pleterski 2003, 5–499.